Ja zum Ausstieg!

Baden 21 statt Stuttgart 21: MdL Thomas Marwein und MdL Sandra Boser fordern leistungsfähigen Bahnhof in Stuttgart und Ausbau der Rheintalbahn

Die Grünen Landtagsabgeordneten Thomas Marwein (Offenburg) und Sandra Boser (Lahr) begrüßen das Ortenauer Aktionsbündnis Ja zum Ausstieg und rufen zur Teilnahme an der Volksabstimmung am 27. November auf: „Stuttgart 21 bindet Mittel, die dringend für den Ausbau der Rheintalbahn benötigt werden. Wir kämpfen für einen leistungsfähigen und preiswerten Bahnhof und einen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nicht nur in Stuttgart sondern im ganzen Land.“

Es ist die letzte Chance, das Bahnprojekt Stuttgart 21 noch zu stoppen. Am 27. November stimmen die Baden-Württemberger über die Zukunft des Stuttgarter Hauptbahnhofs ab und ob das Land als Projektpartner den Vertrag kündigen soll und damit aus der Finanzierung des Milliardenprojekts aussteigt. „Die Grünen erfüllen damit ein Wahlversprechen, das von Grünen und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart wurde“, so Sandra Boser.

Die Grünen im Landtag kritisieren das enorme Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen des geplanten Tiefbahnhofs. „Wie viel Stuttgart 21 letztlich kosten soll, ist bis heute nicht klar“, sagt Marwein, Mitglied im Verkehrsausschuss. Der Bundesrechnungshof geht in einem Gutachten von mindestens 5,3 Milliarden aus. Die Bahn selbst musste in den vergangenen Jahren mehrmals ihre Kostenrechnung nach oben korrigieren. Laut eines Risikopapiers des ehemaligen Stuttgart 21-Projektplaners Hany Azer gebe es 121 Kostenrisiken und eine mögliche Kostensteigerung von 1,2 Milliarden Euro, ergänzt Marwein und verweist auf die demgegenüber weitaus geringeren Ausstiegskosten von maximale 0,35 Milliarden Euro.

Auch der von dem Schweizer Unternehmen SMA simulierte Stresstest, der die Leistungsfähigkeit von S21 nachgeprüft hat, zeigt, dass bereits bei kleinen Störungen wie einer defekten Tür der Fahrplan zusammenzubrechen droht. „Das große Versprechen, Bahnverspätungen abzubauen, wird die Bahn kaum halten können“, sagt der grüne Politiker.

Als einen guten Kompromiss bewertet die Landtagsfraktion den Bau eines kombinierten Kopf- und Tiefbahnhofs, den der Schlichter Heiner Geißler im Sommer präsentiert hat. Der ebenerdige Bahnhof sei laut Marwein und Boser günstiger, würde Verspätungen abbauen und müsse nicht komplett neu geplant werden.

Außerdem gebe es wichtigere Verkehrsprojekte in diesem Land, so Boser und Marwein: „Der Ausbau der europaweit wichtigen Rheintalbahn ist seit Jahren notorisch unterfinanziert und kommt nur im Schneckentempo voran. Das wachsende Güterverkehrsaufkommen zwischen Rotterdam und Genua verträgt keinen Aufschub mehr.“

Während das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 von der Bahn und den Projektbefürwortern vorangetrieben wird, ist der Ausbau der Rheintalbahn fast völlig auf der Strecke geblieben. Fatal, findet die Landtagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen. Denn während der Stuttgarter Hauptbahnhof noch über ausreichend Kapazitäten verfügt – er hat in der Vergangenheit bereits viel mehr Züge bewältigt als heute und ist bestens an das ICE-Netz angeschlossen – stößt der Verkehr auf der Rheintalstrecke längst an seine Grenzen. Das hat zur Folge, dass der notwendige Ausbau des Regionalverkehrs in der Rheinschiene nicht möglich ist, weil auf den alten Gleisen nicht mehr Züge untergebracht werden können. Und die Anwohner müssen mit einer enormen Lärmbelastung leben, wenn der Lärmschutz nicht ausgebaut wird.

Die Grünen fordern deswegen, dass der umwelt- und menschengerechte Ausbau der Rheintalschiene eine höhere Priorität haben muss als bisher. Denn mit dem wachsenden Güterverkehr auf der transeuropäischen Magistrale Rotterdam-Genua droht der öffentliche Personennahverkehr noch weiter in den Hintergrund zu treten. Seit dem Baubeginn 1987 bis heute wurden von der 180 Kilometer langen Strecke in der Rheinschiene erst 45 fertiggestellt. Auch für die nächsten Jahre sind nur 100 Mio. Euro pro Jahr für den Weiterbau vorgesehen. Bei diesem Tempo wird die Strecke vor 2050 nicht fertig sein.

Die für Stuttgart 21 vom Land Baden-Württemberg zur Verfügung gestellten knapp zwei Milliarden Euro sollten für den Ausbau der europäischen Bahnverbindung Rotterdam – Emmerich – Oberhausen – Mannheim – Karlsruhe – Basel – Genua in der Rheinschiene verwendet werden. Denn dem Bund fehlt derzeit das Geld, um die europäische Eisenbahnstrecke viergleisig auszubauen, obwohl er dazu vertraglich verpflichtet ist. Die Schweizer sind da schon weiter. Mit dem Bau der für die Europastrecke notwendigen Tunnel durch den Lötschberg und den Gotthard haben die Eidgenossen ihren Beitrag für den europäischen Güterverkehr fast geleistet. Deutschland hat den Ausbau vertragswidrig vernachlässigt. Diese Politik der Bahn und des Bundesverkehrsministeriums in Berlin geht zu Lasten der Menschen im Rheintal.