Offener Brief zur Abstimmung Rheintalbahn

Thomas Marwein wendet sich in einem offenen Brief an die Mitglieder des Kreistages des Ortenaukreises, die am Dienstag über die Trassenvarianten zur Rheintalbahn abstimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

am Dienstag ist die Abstimmung zur Rheintalbahn. Ich kenne nur teilweise eure Meinung zu diesem Thema. Wenn ich Kreisrat wäre, ich würde für die Autobahntrasse stimmen.

Es ist ganz klar, dass beide Trassen Vor- und Nachteile haben. Also muss ich abwägen. Diesen Abwägungsprozess mache ich vermutlich schon länger mit, weil ich als Gemeinderat in Offenburg seit zehn Jahren oder mehr mit dieser Frage beschäftigt bin.

In Offenburg hat der Gemeinderat seit zehn Jahren immer einstimmig für die Umfahrung (Tunnel) von Offenburg gestimmt: Der Lärm- und Erschütterungsschutz, die zehn Jahre Bauzeit mitten durch die Stadt, die wirklich riesigen Lärmschutzwände – bis zu elf Meter hoch – und einiges weitere sind für mich eindeutige Gründe für die Umfahrung der Stadt. Im Endausbau wird über 24 Stunden am Tag alle drei Minuten ein Güterzug durch Offenburg fahren. Dazu kommen noch die Personenzüge (deren Zahl sich nur um sehr wenige erhöht). Mit dem Unglück in Müllheim kam noch das Argument der Gefahrguttransporte dazu. 35.000 Unterschriften gegen die Planung ermöglichten erstmals in der Geschichte der Bahnplanungen seit 1949, dass eine Planung der Bahn als nicht genehmigungsfähig eingestuft wurde.

Alles das, was für Offenburg gilt, gilt auch für die anderen Gemeinden bis Riegel und natürlich für die Gemeinden weiter südlich auch.

Die Vorgänge um Stuttgart21 sowie die breite Protestbewegung gegen die Bahnplanungen am Oberrhein haben dazu geführt, das ein Projektbeirat eingerichtet wurde. Ziel ist es, dass vor Ort eine Beteiligung der kommunalen Seite und der Bürgerschaft (die BIs) gewährleistet ist. Der Bund und die Bahn hätten das nicht machen müssen. Sie haben sich jedoch verpflichtet, die Beschlüsse des Projektbeirates (der beide Seiten vertritt) anzuerkennen. Also: Erstmals kann die örtlich betroffene Raumschaft direkt mitreden, mitverhandeln und mitentscheiden. Ich finde, das ist einmalig.

Ich kenne auch die Kritik am Projektbeirat und an seiner Legitimation und war auch im Gespräch mit dem Kollegen Paleit sowie den anderen Bürgermeistern. Soweit ich weiß als einziger Politiker überhaupt, habe ich mich mit dem NABU getroffen und drei Stunden lang diskutiert.

Durch meine frühere Tätigkeit bei der Wasserwirtschaft kenne ich die Antragstrasse ziemlich gut, weil ich dazu alle wasserwirtschaftlichen Stellungnahmen geschrieben habe. Wasserwirtschaftlich war die Antragstrasse nicht ausreichend geplant und somit nicht ausreichend genehmigungsfähig.

Der Naturschutz spielt bei der Bahn keine Rolle und wird dort nur als „lästiges Übel“ umgesetzt. Wenn die Bahn bei der Autobahntrasse den Naturschutz “entdeckt”, dann hat das aus meiner Sicht rein strategische Gründe.

Zum Lärmschutz: Die neue Strecke wird, wenn es gut läuft, im Jahr 2030 in Betrieb gehen. Sie wird ohne den Bahnbonus geplant werden und dann werden überwiegend alle Güterwagen aus EU-Ländern auf die leisen Bremssohlen umgerüstet sein. Man wird den Lärm neu berechnen müssen und erkennen, dass dann eine Reduktion eingetreten ist. An der Autobahn kann bis zu diesem Zeitpunkt unter Umständen schon der 6-streifige Ausbau verwirklicht sein, mit mehr Lärm als heute, aber auch mit Lärmschutzwänden oder -wällen. Dazu ist der Straßenbau verpflichtet (siehe nördlich von Offenburg). Was dann lärmmäßig von der Bahn noch zu tun ist, wird weniger sein, als heute diskutiert. Bei der Antragstrasse wird es aber bei den sehr hohen Wänden in den Ortsdurchfahrten bleiben, vielleicht auch einen Meter weniger. Wer mal in Eimeldingen war wird sehen, dass man so etwas nicht wollen kann.

Zu den Kosten: Diese sind hoch. Aber für beide Varianten gleich hoch. Auf zehn Millionen Euro mehr oder weniger kommt es nicht an. Außerdem liegen beim Thema Kosten alle im Schätzbereich.

Zum Naturschutz: Das Regierungspräsidium sagte in Schutterwald, dass der Naturschutz kein K.O. Kriterium ist. Die Untertunnelung von Naturschutzgebieten muss demnach icht sein. Hier treibt die Bahn die Kosten absichtlich in die Höhe. An der Antragstrasse hingegen gehen sie gegen Null. Die Bahn wird so wenig, so spät und so nachlässig wie möglich Naturschutzauflagen umsetzen.

Liebe Kreisrätinnen und Kreisräte, meine Aufzählung ist natürlich nicht abschließend. Ihr kennt euch auch selbst am besten aus. Wir GRÜNEN-Verkehrspolitiker aus dem EU-Parlament (Michael Cramer), dem Bund (Toni Hofreiter, Matthias Gastel, damals Winfried Herrmann und Kerstin Andreae, sowie früher Alexander Bonde) und dem Land (der gesamte AK Verkehr plus Minister Winfried Herrmann) sind aus guten Gründen für die Autobahntrasse. Wenn z.B. ein Kreisrat aus Lahr jedwelcher Fraktion für die Antragstrasse stimmt, ist das politischer Selbstmord (entschuldigt meine drastische Ausdrucksweise). Ich habe keine Vorstellung wie er/sie das begründen könnte.

Genauso habe ich Verständnis für KreisrätInnen aus den Gemeinden der Grafenhausener Erklärung, wenn sie für die Antragstrasse stimmen. Wenn sich dort jemand für die Autobahnparallele aussprechen würde, wäre das politisch gewesen.

Die Bahntrasse ist ein Jahrhundertprojekt, die Züge werden die nächsten 100 Jahre dort fahren und deswegen gehören die Verkehrswege gebündelt (siehe Schweiz zwischen Bern und Basel). Zudem spricht sich der Landtag einstimmig für die Autobahnparallele als reine Güterzugtrasse aus.

Ich lasse es mal damit bewenden. Ich kann euch nur ermuntern für die Autobahnparallele zu stimmen.

Euer Thomas Marwein